Der Begriff „Weltraumwetter“ beschreibt die veränderlichen Bedingungen im erdnahen Weltraum, die technische Systeme im Weltraum und auf der Erde beeinträchtigen können. Die Hauptursache von Störungen unseres Weltraumwetters sind energetische Ausbrüche von der Sonne. Das Observatorium Kanzelhöhe für Sonnen- und Umweltforschung der Universität Graz führt regelmäßige, hochqualitative Beobachtungen der Sonne durch.

Mittels automatisierter Bilderkennungsmethoden werden Strahlungsausbrüchen in Echtzeit in den Beobachtungsdaten detektiert und Warnmeldungen ausgesandt. Das Observatorium Kanzelhöhe ist die österreichische Vertretung im internationalen ISES Weltraumwetter-Netzwerk und die europäische Kernstation zur Sonnenbeobachtung im Rahmen des SSA Weltraumwetter-Programms der Europäischen Weltraumbehörde ESA.

Wie entstehen Super-Sonnenstürme?

Sonnenstürme sind Eruptionen von geladenen Teilchen und Magnetfeldern auf der Sonne. Sie bewegen sich mit Geschwindigkeiten von Millionen Stundenkilometern durch den Sonnenwind und können auf die Erde treffen, wo sie Satelliten zum Absturz bringen und sogar Stromausfälle am Boden verursachen können. Die erfreulicheren Nebenwirkungen von Sonnenstürmen sind Nordlichter, wie sie vor allem in hohen Breiten, zum Beispiel in Kanada oder Skandinavien, auftreten. Ähnlich wie Erdbeben oder Hurrikans sind extrem starke Sonnenstürme aber viel seltener als schwache, und daher gibt es nur selten drastische Auswirkungen auf unsere technologische Infrastruktur. Trotzdem sind die Folgen eines extremen Sonnensturms  weitgehend unbekannt, und daher ist es von grosser Wichtigkeit ihre Ursprünge nahe der Sonne möglichst genau zu verstehen. 
 
Raumsonden der NASA STEREO Mission konnten im Juli 2012 erstmals den Ursprung eines extrem starken Sonnensturms in noch nie zuvor gesehenen Details beobachten. Entscheidend zur Entstehung des - bei Erdabstand - extremen Sonnensturms war, dass durch die fast gleichzeitige Eruption von zwei Sonnenstürmen ihr Magnetfeld nahe an der Sonne sozusagen „eingefroren“ wurde, und zusätzlich ein dritter, früherer Sonnensturm eine Art Windschatten erzeugte. Durch diesen Effekt konnten sich die beiden Stürme sehr schnell gemeinsam von der Sonne weg bewegten. Sie überwanden den Abstand Sonne-Erde (150 Millionen Kilometer) in nur 19 Stunden, und mit einem aussergewöhnlich hohen Magnetfeld, in der etwa zehnfachen Stärke des normalen Sonnenwinds bei der Erde. Zum Glück entstanden all diese Stürme auf der der Erde abgewandten Seite der Sonne und trafen daher die Erde nicht.
 
Hätte der Sonnensturm aber die Erde getroffen, hätte es wahrscheinlich sogar den stärksten Sturm im Erdmagnetfeld seit Beginn der Erforschung des Weltraums mit Satelliten (seit 1957) gegeben. Nordlichter wären sicher in Mitteleuropa zu sehen gewesen, doch sind die Auswirkungen auf Stromleitungen und Satelliten nur schwer einzuschätzen da es in jüngerer Zeit keinen Präzedenzfall für die Auswirkungen eines so starken Sonnensturms auf die technologische Infrastruktur gibt. Die Beobachtungen zeigen auch zum ersten mal in aller Deutlichkeit dass extreme Sonnenstürme auch während Sonnenzyklen entstehen können die allgemein als schwach charakterisiert werden, und - unter anderem - wenige Sonnenflecken ausbilden, welche die Quellregionen vieler Sonnenstürme darstellen. 
 
 
Bild:
Ein extremer Sonnensturm am 23. Juli 2012, aufgenommen aus 2 verschiedenen Perspektiven mit Raumsonden der NASA STEREO Mission. Die Bilder zeigen die Stürme als helle Erscheinungen in der Korona der Sonne. Für solche Bilder wird das Licht der Sonnenscheibe blockiert, und die Position und Größe der Sonne wird durch den weissen Kreis repräsentiert.
 
Die Studie:
Y. D. Liu, J. G. Luhmann, Primoz Kajdic, E. K. J. Kilpua, N. Lugaz, N. V. Nitta, C. Möstl, B. Lavraud, S. D. Bale, C. J. Farrugia, A. B. Galvin:
Observations of an Extreme Storm in Interplanetary Space Caused by Successive Coronal Mass Ejections
publiziert in Nature Communications, 2014,
 
 

Christian Möstl

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