Das Weltraumwetter beschreibt die Veränderungen der physikalischen Bedingungen im erdnahen Weltraum. Der aktuelle Zustand unseres Weltraumwetters (engl. „space weather“) ergibt sich aus einem komplexen Wechselspiel zwischen Vorgängen auf der Sonne, im interplanetaren Raum sowie in der Erdmagnetosphäre und -atmosphäre. Energetische Eruptionen auf der Sonne rufen Störungen unseres Weltraumwetters hervor, die technische Systeme im Weltraum und auf der Erde beeinträchtigen und im Extremfall Astronauten gefährden können. Unsere moderne Gesellschaft ist zunehmend von satellitengestützter Technik abhängig (z.B. Kommunikations-, Navigations-, Wettersatelliten) und daher gegenüber solchen Turbulenzen des Weltraumwetters sehr anfällig. Weltweit wird an Systemen zur Vorhersage des Weltraumwetters gearbeitet, wozu ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden physikalischen Prozesse notwendig ist.
Ursachen des Weltraumwetters:
Den größten Einfluss auf unser Weltraumwetter hat unser nächster Stern, die Sonne. Die Sonne sendet nicht nur ständig Strahlung, sondern auch elektrisch geladene Teilchen in den Weltraum: den Sonnenwind. Die Sonnenwindteilchen benötigen für die 150 Millionen Kilometer lange Strecke von der Sonne zur Erde etwa vier Tage. Da die Erde ein Magnetfeld besitzt, ist sie dem Sonnenwind nicht schutzlos ausgeliefert, sondern die geladenen Sonnenwindteilchen werden von der Erdmagnetosphäre abgelenkt und strömen um sie herum. Allerdings kann die Wechselwirkung zwischen dem Magnetfeld des Sonnenwindes und dem Magnetfeld der Erde elektrische Ströme induzieren, die die Kompassnadeln auf der Erde zum Erzittern bringen, d.h. Richtung und Stärke des Erdmagnetfeldes am Boden unterliegen starken kurzzeitigen Schwankungen. Dieses Phänomen wird als geomagnetischer Sturm bezeichnet.
Die stärksten geomagnetischen Stürme werden von koronalen Massenauswürfen hervorgerufen. Koronale Massenauswürfe sind riesige Plasmawolken samt eingeschlossenem Magnetfeld, die von der Sonne weggeschleudert werden und sich mit Geschwindigkeiten bis zu 10 Millionen km/h im Weltraum ausbreiten. Die schnellsten von ihnen erreichen die Erde in weniger als einem Tag. Wenn sie an der Erde ankommen, können sie den sonnenzugewandten Teil der Magnetosphäre so weit zusammenpressen, dass sich geostationäre Satelliten (in einer Höhe von 36.000 km) plötzlich außerhalb der magnetosphärischen Schutzhülle befinden. Die stärksten Turbulenzen des Weltraumwetters, wie auch die beeindruckenden Polarlichter, werden durch die „Verschmelzung“ der Magnetfelder des koronalen Massenauswurf und der Erdmagnetosphäre ausgelöst.
Aufnahme eine koronalen Massenauswurfs durch den ESA/NASA Satelliten SOHO.
In Verbindung mit koronalen Massenauswürfen treten oftmals auch energetische Strahlungs- und Teilchenausbrüche auf der Sonne auf. Dabei kommt es in lokalen Gebieten auf der Sonne, bevorzugt in der Nähe von Sonnenflecken, kurzzeitig zu intensiven Aufhellungen. Am stärksten sind die Strahlungserhöhungen bei UV- und Röntgenwellenlängen. Sie bewirken eine Ausdehnung der Erdatmosphäre wie auch Änderungen des Ionisationsgrades der Erdionosphäre, die in weitere Folge Störungen von Satellitenbahnen und im Funkverkehr bewirken können. Die Teilchenausbrüche setzen sich aus hochenergetischen Protonen, Elektronen und schwereren Ionen zusammen. Die schnellsten von ihnen erreichen die Erde in weniger als einer Stunde nach dem Ausbruch auf der Sonne. Sie stellen durch ihre radioaktive Strahlungswirkung eine Gefahr für Astronauten im Weltraum dar, die nicht durch die Erdmagnetosphäre geschützt sind.
Links: Energiereicher Strahlungsausbruch auf der Sonne (X17 Flare), der am 28. Oktober 2003 am Observatorium Kanzelhöhe aufgenommen wurde. Er zählt zu den stärksten Ausbrüchen, die in den letzten Jahrzehnten aufgetreten sind. Rechts: Das zugehörige Magnetfeld der Sonne mit mehreren großen aktiven Regionen (ESA/NASA SOHO).
Koronale Massenauswürfe wie auch die Strahlungs- und Teilchenausbrüche beziehen ihre Energie aus dem starken Magnetfeld in Sonnenflecken. Alle 11 Jahre gibt es besonders viele Sonnenflecken und damit auch besonders viele Sonneneruptionen. Dieser Aktivitätszyklus der Sonne (Sonnenfleckenzyklus) basiert auf einer globalen Änderung des solaren Magnetfeldes, das sich zyklisch im Mittel alle 11 Jahre umpolt und verstärkt.
Auswirkungen des Weltraumwetters:
Die Auswirkungen von Störungen des Weltraumwetters auf unser Leben sind vielfältig. Dies hat vor allem damit zu tun, dass unsere moderne Gesellschaft zunehmend von satellitengestützter Technik abhängig ist. So zählen z.B. Navigations-, Kommunikations- und Wettersatelliten zu den technischen Hilfsmittel im Weltraum, auf die wir heutzutage nicht mehr verzichten wollen und können. Durch Turbulenzen unseres Weltraumwetters können jedoch Handy, Radio, Fernsehen, Funk, GPS, etc. in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch auf der Erde selbst können extreme Weltraumwettereignisse technische Anlagen beschädigen. Andererseits können diese auch wunderschöne Naturschauspiele auslösen, wie die beeindruckenden Polarlichter.
Die größten Probleme mit dem Weltraumwetter haben Satelliten. Die hochenergetischen Teilchen, die durch Sonneneruptionen auf Geschwindigkeiten bis zu 80% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, können die empfindliche Elektronik und die energieversorgenden Solarzellen von Satelliten beschädigen und im Extremfall zerstören. Die erhöhte UV- und Röntgenstrahlung während eines Strahlungsausbruchs auf der Sonne führt zu einer Erwärmung und damit zu einer Ausdehnung der oberen Schichten der Erdatmosphäre. Dadurch erfahren Satelliten einen höheren Luftwiderstand, und es kommt zu einer Abbremsung und Änderung der Satellitenbahn. Werden diese Effekte nicht rechtzeitig ausgeglichen, kann es zu einem Absturz des Satelliten kommen. Zudem bewirkt die erhöhte kurzwellige Strahlung eine zusätzliche Ionisierung der Erdionosphäre und folglich eine Erhöhung der Elektronendichte. Dadurch werden die elektrischen Eigenschaften der Ionosphäre verändert und die Ausbreitung von hochfrequenten Signalen (Funkverkehr) gestört.
Auch auf der Erde selbst kann das Weltraumwetter technische Anlagen beschädigen. Die mit geomagnetischen Stürmen verbundene Verstärkung elektrischer Felder und Ströme in der Ionosphäre können in weiterer Folge elektrische Ströme in Überlandleitungen und Transformatoren induzieren. 1989 führte ein starker geomagnetischer Sturm, ausgelöst durch eine extreme Sonneneruption, zu einer Überlastung des Stromnetzes in der kanadischen Provinz Quebec und verursachte einen neunstündigen Stromausfall, von dem mehr als sechs Millionen Menschen betroffen waren. 2003 fiel im schwedischen Malmö das gesamte regionale Stromnetz für mehrere Stunden infolge eines Sonnensturms aus. Im Oktober und November 2003 wurde eine Periode mit extremen Sonnenausbrüchen registriert. Als Folge davon waren selbst in Österreich Polarlichter zu sehen. Polarlichter werden durch geomagnetische Stürme hervorgerufen. Durch die Wechselwirkung eines koronalen Massenauswurfs und der Erdmagnetosphäre kommt es im Magnetosphärenschweif zur Beschleunigung von energetischen Teilchen, die in sich in Folge längs der Feldlinien des Erdmagnetfeldes ausbreiten und in tiefere Schichten der Erdatmosphäre vordingen, wo sie Luftmoleküle (Sauerstoff, Stickstoff) zum Leuchten anregen. Polarlichter entstehen typischerweise bei höheren geographischen Breiten. Bei extremen Sonnenausbrüchen wird jedoch die Erdmagnetosphäre so stark deformiert, dass auch bei niedrigeren Breiten Teilchen eindringen und Polarlicher auslösen können.
Für uns Menschen auf der Erde können extreme Weltraumwetterereignisse keine direkten gesundheitlichen Schädigungen hervorrufen, da wir durch das Erdmagnetfeld geschützt sind. Allerdings stellen die hochenergetischen geladenen Teilchen, die mit starken Sonneneruptionen einhergehen (auch als „kosmische Strahlung“ bezeichnet), aufgrund ihrer radioaktiven Eigenschaften eine ernsthafte Gefahr für Astronauten in den Tiefen des Weltraums dar. Sie bedingen auch ein gesundheitliches Risiko für Flugpersonal, das häufig auf Langstreckenflügen über Polrouten unterwegs ist, da in höheren Breiten das schützende Erdmagnetfeld schwächer ist als in der Nähe des Äquators. Bei starken geomagnetischen Stürmen werden daher die polaren Flugrouten nicht genutzt.